Eigentlich ist jeder ein Künstler – so lautet eine These des deutschen Soziologen und Kunsttheoretikers Joseph Beuys. Aber was bedeutet das eigentlich? Beuys verstand den Begriff des Künstlers nicht als eine bloße Berufsbezeichnung, sondern als einen Zustand, in dem jeder Mensch sein kreatives Potenzial entfalten und gestalterisch tätig werden kann. Jeder Mensch – so Beuys – ist von Natur aus ein Schöpfer und ein Gestalter.
Doch was bedeutet das konkret? Wenn jeder Mensch ein Künstler ist, welche Auswirkungen hat das auf unser Verständnis von Kunst und Kreativität? Zunächst einmal heißt es, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, seine Kreativität auszuleben und sich gestalterisch zu betätigen. Es geht dabei nicht um die Frage, ob man „talentiert“ ist oder nicht – denn jeder hat seine eigene kreative Ausdrucksform, die sich auf unterschiedliche Weise zeigen kann.
Für manche ist es das Malen, für andere das Schreiben von Texten, für wieder andere das Spielen eines Musikinstruments oder das Tanzen. Es gibt jedoch auch viele Menschen, die ihre Kreativität auf andere Art und Weise ausleben – zum Beispiel durch das Basteln von Dekorationen oder die Gestaltung von Gartenanlagen. All das kann als Kunst betrachtet werden, wenn man Kunst als eine Form der kreativen Tätigkeit versteht.
Doch geht es bei Beuys‘ Aussage nicht nur um die individuelle Entfaltung von Kreativität. Vielmehr geht es ihm darum, dass jeder Mensch Teil des gestaltenden Prozesses unserer Welt ist. Jede Handlung, die wir setzen, hat Auswirkungen auf unsere Umgebung und unser soziales Umfeld. Deshalb ist es aus Beuys‘ Sicht wichtig, dass wir uns als Teil des gestaltenden Prozesses begreifen und uns bewusst machen, welche Rolle wir dabei spielen.
In diesem Sinne ist jeder Mensch ein Künstler – nicht nur im Sinne des kreativen Ausdrucks, sondern vor allem im Sinne des Gestaltens unserer Welt. Wenn wir uns als Künstler begreifen, dann bedeutet das auch, dass wir Verantwortung für unsere Handlungen übernehmen und uns bewusst machen, welche Auswirkungen sie haben können. Wir werden zu Gestaltern unseres eigenen Lebens und unserer Umgebung – und damit zu Akteuren des gesellschaftlichen Wandels.
Doch was bedeutet das für den klassischen Kunstbegriff, der Kunst als etwas Kollektives und Gesellschaftliches versteht? Auch hier geht Beuys‘ Aussage einen Schritt weiter: Es geht ihm darum, Kunst als eine Möglichkeit zu begreifen, gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Kunst kann – im Sinne von Beuys – als eine Form des sozialen Engagements betrachtet werden, die darauf abzielt, etwas zu verändern und neue Ideen zu entwickeln.
In diesem Sinne kann jeder Mensch zum Künstler werden – nicht nur im Sinne des kreativen Ausdrucks, sondern vor allem im Sinne des sozialen Engagements und der Verantwortung für die Gesellschaft. Wenn jeder Einzelne seine kreative Energie und seine Gestaltungskraft einbringt, dann können wir gemeinsam eine Welt gestalten, die auf Veränderung und Engagement setzt. Jeder Mensch kann zum Künstler werden – in diesem Sinne ist jeder von uns ein Gestalter und Schöpfer.